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Venezianische Renaissance


MADONNA MIT KIND, von Tizian, 1508, italienisches Renaissance-Gemälde, Öl auf Leinwand.

MADONNA MIT KIND, von Tizian, 1508, italienisches Renaissance-Gemälde, Öl auf Leinwand.

Die venezianische Renaissance ist ein Zeitabschnitt in der Geschichte Venedigs, welche zur Renaissancezeit begann und deren Praktiken bis ins 19. Jahrhundert überdauerten. Damit unterscheidet sich die Renaissance in Venedig von der Renaissancezeit des übrigen Italiens. Auch im Stil unterscheidet sich die venezianische von der italienischen Renaissance.

Bedeutendster Maler der venezianischen Renaissance war Tizian, welcher von den Brüdern Gentile Bellini und Giovanni Bellini ausgebildet wurde. Das Brüderpaar gilt als Begründer der venezianischen Malschule während der Frührenaissance. Als Vorbild der venezianischen Schule wird auch Antonello da Messina genannt, welcher die nördliche Malerei nach Venedig führte. Neben Malerei und Architektur ist Venedig auch für seine Renaissance-Musik bekannt.

Steckbrief

Name:Venezianische Renaissance
Bedeutung:Stilepoche in der Kunstgeschichte Venedigs
Beginn:nach 1475
Ende:weit nach 1600 (Ende der Spätrenaissance im übrigen Italien)
Merkmale:-Venedig war Zentrum der Malkunst, der Musik und des Buchdrucks
-venezianische Polychoralstil als Besonderheit der Renaissance-Musik
-Farben statt Linien als Besonderheit der Renaissancemalerei
-Nutzung von Farben, Licht und Schatten, um individuelle Persönlichkeiten und stimmungsvolle Landschaften zu schaffen
-Venezianische Renaissance-Antiqua als besondere Schriftart
Künstler:Giovanni Bellini, Giorgione, Tizian, Tintoretto und Paolo Veronese
Schema der Renaissancekünstler in Venedig und Oberitalien des 15. Jahrhunderts

Schema der Renaissancekünstler in Venedig und Oberitalien des 15. Jahrhunderts

Was war besonders an Venedig zur Renaissance

Anders als andere Kunstzentren Italiens war Venedig kein reiner Binnenstaat. Stattdessen erstreckte sich Venedigs Macht weit über die Grenzen der Lagunenstadt hinaus. So besaß Venedig diverse Kolonien und Handelspunkte in Istrien und Zypern oder auf der Krim. Ihren Reichtum verdankte der Stadtstaat zunächst dem Handel mit Salz, welches in der Lagunenstadt abgebaut wurde. Die Salzroute wurde später durch Gewürze, durch Luxusartikel und Getreide ergänzt.

Venedigs günstige Lage, direkt an der Adria, ermöglichte einen Handel zwischen Osten (Byzantinisches Reich) und den Ländern nördlich der Alpen. Für die italienische Staatenwelt war Venedig ebenfalls wichtig, da die Versorgung mit Getreide (von der Krim) über den Stadtstaat abgewickelt wurde. Oft nutzte Venedig seine wirtschaftliche Bedeutung aus, um politische Macht über andere italienische Stadtstaaten auszuüben.

Ein weiterer Unterschied war die politische Struktur in Venedig. So gab es in Mailand einen Herzog, in Rom regierte der Kirchenstaat und in Florenz regierte defacto die Medici-Familie. In Venedig wurde eine Doge zum Oberhaupt der Adelsrepublik gewählt.

Anders als in vielen anderen Adelsrepubliken konnte das Amt des Dogen nicht auf den Sohn (Mitdogen) übergehen. Bereits 1040 wurde solche Mitdogenschaft verboten, wodurch die Bildung von Familiendynastien unmöglich wurde.

Durch die Monopolstellung im Handel und der Dogen-Kultur schaffte Venedig den Sprung an die wirtschaftliche Weltspitze. Als dann das Byzantinische Reich im Jahr 1453 unterging und die Osmanen Konstantinopel einnahmen, veränderte sich die Stellung der Wirtschaftsmetropole. Fortan war der Handel im Mittelmeerraum blockiert. Doch um etwa 1500 war Venedig noch die reichste, bevölkerungsreichste und mächtigste Stadt innerhalb der italienischen Staatenwelt.

Wie entstand die Venezianische Renaissance

Der Reichtum Venedigs zog natürlich auch Künstler an, welche sich lukrative Aufträge von Mäzen oder dem Staat erhofften. Im Jahr 1475 erreicht der italienische Maler Antonello da Messina die Adelsrepublik.

Zuvor war Antonello im Königreich Neapel gewesen und hatte dort die Maltechniken der altniederländischen Meister Jan van Eyck und Rogier van der Weydens studiert. Der König von Neapel besaß deren Werke, damit seine Hofkünstler diese kopieren und studieren können.

Als Antonello da Messina nach Venedig kam, löste er ein Welle der Begeisterung aus. Denn er trug die Farben in vielen durchsichtigen Schichten auf, wodurch diese auf dem Gemälde eine bisher unbekannte Leuchtkraft und Stofflichkeit entfachten. Dieser Umgang mit Licht und Farbe wird das Charakteristikum der venezianischer Renaissancemalerei werden.

Wie bedeutend war die Venezianische Renaissance

Als Giorgio Vasari 1550 seine Erstfassung seiner Künstlerbiografien (Le Vite) schrieb, erwähnte er die venezianische Malschule nicht. Tatsächlich wurde die Venezianische Malerei vom übrigen Italien lange ignoriert oder unterschätzt. Durch die wirtschaftliche und kulturelle Verbundenheit mit Konstantinopel, schrieb man den Malern einen byzantinisch-griechischen Stil zu, welchen die Italiener ablehnten.

Für seine Neuauflage der Viten von 1568 besuchte Vasari die Lagunenstadt dennoch. Spätestens seit Tizian ist die Venezianische Malschule international bekannt und der Künstler wurde als Porträtist an verschiedenen Höfen Europas geladen. Er verschaffte sich den Titel „Maler der Könige“ bzw. „König der Maler“.

Was sind Merkmale der Venezianischen Renaissancemalerei

Die Tradition der venezianischen Schule besagt, dass die Farbe immer Vorrang vor der Linie hat. Dieser Grundsatz stand im Gegensatz zum im übrigen Kunstverständnis Italiens. Aber genau das, machte schließlich die venezianische Renaissancemalerei so berühmt. Denn in der Hochrenaissance veränderte sich der Blickwinkel auf Schönheit nochmals. Die Frührenaissance war geprägt durch die Zentralperspektive, einer Ausarbeitung von Raumtiefe durch Fluchtpunkte, wodurch realistische Gemälde entstanden.

Nun erkannte man in der Hochrenaissance, dass sich Farben beim Betrachten einer Landschaft ändern. Weitentferntes verblasst und einige Farben verlieren mit zunehmender Entfernung an Sättigung. So müssen weiche und kontrastreiche Farben auf vordergründigen Figuren wirken, während mit zunehmender Raumtiefe die Farbsättigung abnehmen muss. Diese neue Perspektivtechnik nennt sich Farbperspektive.

Ein Meister dieser Farbperspektive war Tizian (erster Maler Venedigs). Sein Stil, Farben so gekonnt einzusetzen, um Raumtiefe zu erschaffen – wirkte bis ins 19. Jahrhundert nach. Er beeinflusste die Werke von Peter Paul Rubens oder Rembrandts.

Giorgione, welcher circa 10 Jahre älter war als Tizian, gilt als einer der bedeutendsten Landschaftsbildermaler der Venezianischen Renaissance. Er kombinierte die sfumato-Technik von Leonardo da Vinci mit Lasurtechnik der niederländischen Meister. Herauskam ein völlig neues Zusammenspiel zwischen Lichtwirkung, Luft- und Farbperspektive.

Künstler der venezianischen Renaissance

Bedeutende Künstler venezianischen Renaissance waren:

  • Giovanni Bellini (ca. 1430–1516)
  • Gentile Bellini (ca. 1429–1507)
  • Giorgione (ca. 1477–1510)
  • Tizian (ca. 1489–1576)
  • Jacopo Tintoretto (1518–1594)
  • Paolo Veronese (1528–1588)
  • und Jacopo Bassano (1510–1592)

 "Sacra conversazione" von Giovanni Bellini (1505) in der Kirche Chiesa di San Zaccaria, Venedig, Bildnachweis:  Renata Sedmakova / Shutterstock.com

„Sacra conversazione“ von Giovanni Bellini (1505) in der Kirche Chiesa di San Zaccaria, Venedig, Bildnachweis: Renata Sedmakova / Shutterstock.com

Musik der Venezianischen Renaissance

Die venezianische Renaissance-Musik entstand etwa 1550. Als erster großer Kapellmeister und Komponist wird Adrian Willaert (1490 – 1562) genannt. Er etablierte den venezianischen Stil, bei denen mehrere Chöre manchmal gleichzeitig und manchmal gegensätzlich singen. Beide Chöre werden dann durch ein Orgelspiel vereint.

In Renaissance zog Venedig verschiedene Musiker aus Italien und dem nördlichen Europa an. Grund waren sicherlich das gut etablierte Mäzenatentum, aber auch der Markusdom. Der einzigartige Innenraum des Doms besteht aus zwei Choremporen. Die Architektur des Markusdoms erforderte, dass ein Musikstil entwickelt wird, welcher die Tonverzögerung zu seinem Vorteil nutzt, anstatt ein Nachteil zu sein. So entstand der Mehrchorstil Venedigs.

Venezianische Renaissance-Antiqua

Die Venezianische Renaissance-Antiqua ist eine Schriftart, die im 15. Jahrhundert in Venedig entstand. Sie zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

  • Schrägstellung des Querstrichs des kleinen “e”
  • Schräg ansetzende obere Serifen, die vom Anstrich mit der Feder abgeleitet sind
  • Oft abgerundete Serifenenden
  • Geringe Minuskelhöhe
  • Relativ geringe Strichstärkenunterschiede
  • Geneigte Schattenachse der Rundungen
  • Gute Zeilenführung durch prägnante Zeichenform
  • Lebhaftes Schriftbild dank des deutlich spürbaren Schreibduktus.

Diese Schriftart ist ein charakteristisches Beispiel für die Renaissance-Typografie, die sich durch die Wiederbelebung antiker Ideale auszeichnet und einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Druckkunst leistete. Venedig war zu dieser Zeit ein bedeutendes Zentrum für die Typografie in Europa.

Obwohl Venedig kein Zentrum des Humanismus während der Renaissance war bzw. wurde, etablierte sich dort ein Buchverlagswesen und Buchdruckereiwesen. Die Stadt galt durch Verleger, wie Aldus Manutius, als Sammelbecken griechischer Texte.


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