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Zentralperspektive


Die Zentralperspektive ist eine Perspektivtechnik, welche 1420 von Filippo Brunelleschi wiederentdeckt und in die Kunstwelt übertragen wurde. Durch Fluchtpunkte war es fortan möglich, tiefenräumliche Illusionen zu erschaffen. Während der Renaissance bewirkte die Zentralperspektive, dass solche imaginäre Tiefe auf Gemälden und in Reliefs entstehen konnten. Mit der Wiederentdeckung der Zentralperspektive begann die eigentliche Renaissancemalerei. Erster Maler, welcher eine zentralperspektivische Konstruktion umsetze, war Masaccio mit seinem Trinitätsfresko (1425-27). Das erste Relief, welches nach exakt zentralperspektivischen Regelwerk entstand, war Donatellos Gastmahl des Herodes um 1427 (siehe auch: Relieftechnik).

Technik

Die Zentralperspektive setzt auf einen Fluchtpunkt im Raum. Betrachtet man einen Raum liegt dieser Fluchtpunkt auf der gegenüberliegenden Seite auf Höhe der Horizontlinie. Um eine Tiefenstruktur zu erschaffen, müssen Fluchtpunktlinien von allen Objekten des Raumes zur Horizontlinie gezeichnet werden. Die Schnittstelle, auf welcher sich die imaginären Linien kreuzen, ist der Fluchtpunkt.

Zentralperspektive mit einem Fluchtpunkt

Zentralperspektive mit einem Fluchtpunkt

Renaissancekünstler bestimmten in ihren Werken zuerst den Fluchtpunkt. Dazu wurde bei einem Fresko zuerst ein Nagel in die Wand geschlagen, von welchem Schnüre abzweigten – die als Fluchtpunktlinien dienten. Zur Herstellung eines Reliefs ging man ebenso vor. Bei Gemälden gelang dies, durch das Setzen eines gemalten Punktes – bevor das Bild gezeichnet wurde.

Durch die Perspektivtechnik war es Künstlern möglich, eine Raumtiefe zu erschaffen. Dadurch konnten dreidimensionale Objekte auf einer zweidimensionalen Oberfläche abgebildet werden. Da sich die Renaissancekunst als Abbild der Natur verstand, wurde eine exakte Konstruktion mittels Zentralperspektive zum Ideal in allen Kunstgattungen (Malerei, Bildhauerei, Architektur). Dadurch verschmolzen Kunst und Geometrie miteinander.

Wiederentdeckung

Die Zentralperspektive war bereits in der Antike bekannt. Im Mittelalter wurde Kunst aber nur als Handwerk für Gott und Kirche verstanden, weshalb eine realitätsnahe Abbildung der Natur unerheblich oder sogar ketzerisch war. Stattdessen wurden Figuren mit Bedeutung (z.B. Heilige) größer dargestellt als umliegende Objekte. Ob der Heilige vorn im Bild oder im Hintergrund platziert war – spielte für die Größenverhältnisse eine untergeordnete Rolle.

Filippo Brunelleschi nahm 1401/1402 als Bildhauer an einem Kunstwettstreit in Florenz teil. Sein ärgster Konkurrent war Lorenzo Ghiberti. Letzterer gewann den Wettstreit und sollte in der Folgezeit zum angesehensten Bronzegießer in Florenz aufsteigen. Brunelleschi hingegen widmete sich der Malerei und der Architektur. Zusammen mit dem jungen Donatello reiste er nach Rom und studierte dort die antiken Gebäude und Skulpturen.

Mittels einer Camera obscura, welche bereits Astronomen nutzten – um Sonnenflecken zu beobachten – gelang ihm die Wiederentdeckung der Zentralperspektive. Er erkannte, dass räumliche Objekte zu einem bestimmten Punkt verlaufen und nutzte dies später für seine Architektur. Seinem Freund und Begleiter Masaccio erzählte Brunelleschi von seinen Kenntnissen. Dieser setzte die neue Perspektivtechnik für die Gestaltung seines Trinitätsfreskos ein.

Das Trinitätsfresko von Masaccio war die erste exakte Konstruktion mit der Zentralperspektive (1425-27), Santa Maria Novella Kirche in Florenz, Bildnachweis: Bill Perry / Shutterstock.com

Das Trinitätsfresko von Masaccio war die erste exakte Konstruktion mit der Zentralperspektive (1425-27), Santa Maria Novella Kirche in Florenz, Bildnachweis: Bill Perry / Shutterstock.com

Konzepte und Regelwerke

1436 veröffentlichte Leon Battista Alberti sein Traktat Della Pittura (Über die Malkunst). In diesem Werk wurden die Erkenntnisse zur Zentralperspektive zusammengetragen. Seine Entdeckungen und Erfahrungen im Umgang mit dieser Perspektivtechnik waren ein Resultat mathematischer Berechnungen und Schlussfolgerungen.

Durch seine Ergebnisse wurde der künstlerische Umgang mit der Zentralperspektive in ein Regelwerk gegossen, wodurch sämtliche Künstler zu Gelehrten der Formenlehre wurden. Das Regelwerk basierte auf den Gesetzen der Optik und der perspektivischen Verkürzung bei Objekten im Hintergrund. Durch diese Regeln konnten sich Künstler dem Studium der Perspektivtechnik widmen, diese Regeln anwenden und Raumtiefe auf Bildern erschaffen.

Nach dem Traktat der Malerei veröffentlichte Alberti zwei weitere Regelwerke: De statua („Über das Standbild“) um 1435 und De re aedificatoria („Über das Bauwesen“) um 1450. In diesen Werken geht er auf die zentralperspektivische Konstruktion von Skulpturen, Plastiken und Gebäuden ein. Auch diese Schriften sind Regelwerke der Renaissance-Bildhauerei und Renaissance-Architektur.


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