Brunelleschi und Ghiberti: Wettstreit und Isaaksopfer
Das Isaaksopfer sind zwei bronzene Probestücke, angefertigt von Lorenzo Ghiberti und Filippo Brunelleschi. Die beiden Bronzetafeln wurden gefertigt, um einen Künstlerwettstreit bzw. eine Ausschreibung zu gewinnen. Der Gewinner erhielt den prestigeträchtigen Auftrag, das Nordportal für das Baptisterium in Florenz zu bauen.
Beide Künstler fertigten das Isaaksopfer unabhängig voneinander an und legten es 1402 vor. Lorenzo Ghiberti gewann den Wettstreit, baute zwei Portale für das Baptisterium und wurde zu einem angesehenen Bronzegießer der Frührenaissance. Er bildete Bildhauer aus, welche von der Plastik zur Skulptur wechselten. Prominentester Schüler Ghibertis war Donatello.
Filippo Brunelleschi entwickelte um 1420 die Zentralperspektive als neues Stilmittel für die Malerei, Bildhauerei und Architektur. Damit begründete er die Renaissance bzw. den Renaissancestil. In der Kunstgeschichte werden die Probestücke von Brunelleschi und Ghiberti auch als Konkurrenzreliefs bezeichnet.
Inhalt
Der Wettstreit zwischen Brunelleschi und Ghiberti
Florenz befand sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts in ständige Bedrohung, ausgehend von italienischen Nachbarn. In Mailand regierte Gian Galeazzo Visconti, welcher durch einen Staatsstreich an die Macht kam. Dieser strebte danach, ganz Oberitalien unter seine Kontrolle zu bekommen.
So eroberte Visconti bereits Padua, Vicenza und Verona. Um die Vormachtstellung von Florenz in Mittelitalien zu destabilisieren, warb er um die Gunst verfeindeter Kommunen, welche sich von dem Florentiner Einfluss lossagen wollten. Schließlich erwarb Visconti im 1399/1400 den Herrschaftsanspruch in Pisa, Siena und Perugia – welche unmittelbare Nachbarstaaten der Florentiner Republik waren.
In Florenz reagierte man auf die Bedrängnis mit einer Demonstration von kultureller Überlegenheit. Deshalb beschlossen die Florentiner 1401, dass das Nordportal der Taufkirche (Baptisterium) erneuert und mit Bronzetafeln verziert werden sollte. Die Tafeln sollten Szenen aus der Bibel darstellen. Das Nordportal der Taufkirche wurde nicht zufällig gewählt. Denn die Tafeln sollten in Richtung Mailand zeigen, um einen symbolischen Schutz darzustellen.
Um den richtigen Kunsthandwerker für diese Arbeit zu finden, wurde eine Ausschreibung ausgegeben. Auftraggeber und Initiator des Wettstreits war die Zunft der Kaufleute und Tuchveredler (Arte di Calimala) in Florenz. Die Calimala-Zunft legte den Rahmen, das Material, die Größe und das Motiv für die Probearbeiten fest. Somit hatten alle Künstler die gleichen Ausgangsbedingungen. Insgesamt nahmen sieben Bronzegießer am Wettstreit teil. Die Prominentesten unter ihnen waren die Florentiner Lorenzo Ghiberti (1378 – 1455) und Filippo Brunelleschi (1377 – 1446).
Alle 7 Kontrahenten sollten ein Probestück abliefern, auf dem sie die Opferung Isaaks (Bibelszene) darstellen sollten. Eine Jury entschied dann darüber, wer den Wettstreit gewann und den Auftrag fürs Nordportal bekommen sollte. Letztlich gewann der damals 24-jährige Ghiberti und erhielt somit den Auftrag zum Bau des Nordportal für das Florentiner Baptisterium. Der Wettstreit endete 1402 und 1 Jahr später nahm Ghiberti seine Arbeit auf, welche bis 1424 andauern wird.
Brunelleschis Isaaksopfer
Filippo Brunelleschi fertigte zwischen 1401 und 1402 sein Isaaksopfer aus Bronze an. In den oberen Halbkreisen seiner Opferszene befinden sich der gottgesandte Engel (links) und der bewaldete Berggipfel (rechts). Die unteren Bögen wurden durch die Begleiter Abrahams gefüllt. Und in der mittleren Bildszene wird die Opferszene Isaaks dargestellt.
Ghibertis Isaaksopfer
Lorenzo Ghiberti teilt seine Opferszene in eine rechte und linke Bildszene auf. Auf der linken Seite befinden sich die Nebenfiguren, welche sich unterhalten und auf der rechten Seite findet die Opferung Isaaks statt. Auch Ghibertis Isaaksopfer besteht aus Bronze und wurde zwischen 1401 und 1402 gefertigt.
Warum war Ghibertis Relief besser als Brunelleschis
Beide Werke sind auf hohen Niveau produziert wurden. Aber Lorenzo Ghibertis Isaaksopfer unterwirft sich nicht den Bedingungen des Rahmens. Der Rahmen, in welchem die Opferszene ausgestaltet werden sollte, war von der Kaufmannsgilde vorgegeben. Aber Ghiberti füllt den Rahmen nicht aus, sondern konzentriert sich mehr aufs Zentrum.
Brunelleschi hingegen unterwirft sich den Bedingungen des Vierpass, jenem Ornament – welches für die Romanik und Gotik stilgebend war. Dadurch wirkt Brunelleschis Werk gedrungener und überfüllter. Das Kleeblatt-Ornament wirkt überfrachtet.
Auch in der Gestaltung der Figuren gibt es gravierende Unterschiede. Brunelleschis Isaak hockt verkrampft auf dem Altar. Stattdessen lässt Ghiberti seinen Protagonisten in heroischer Haltung erstrahlen. Auch die anatomische Darstellung des Isaak ist bei Brunelleschis Werk deutlich ungenauer als bei Ghibertis.
Ein nicht unerheblicher Faktor war, dass das Werk von Lorenzo Ghiberti viel kostengünstiger war. Denn bei seinem Gussverfahren prognostizierte er eine Materialeinsparung von 2 Zentnern. Die Calimala-Zunft zog auch dies in Betracht als sie Ghiberti den Auftrag für das Nordportal erteilten.
Warum markierte der Relief-Wettbewerb den Beginn der Renaissance-Bildhauerei
Die Opferung Isaaks war eine Bibelszene, hatte also wenig mit antiken Idealen zu tun. Aber in der Renaissance wurden zahlreiche Bibelszenen neu gemalt und neu konstruiert. Allerdings wurden solche Szenen mit antiken Symbolen behaftet. Es kam also zu einer Verschmelzung zwischen dem Christentum des Mittelalters und dem Menschenbild der Antike.
Sowohl in Brunelleschis Werk als auch in Ghibertis Bronzeguss finden sich antike Symbole. Schaut man einmal in Brunelleschis linken unteren Bogen befindet sich dort der Knecht, welcher in vorgebeugter Haltung dargestellt wird. Diese Szene gleicht dem Dornauszieher, einer griechischen Bronzestatue aus dem 1. Jahrhundert v.Chr.
Die Antikenauffassung Brunelleschis vollzieht sich auch im Motiv des Widders. Allerdings wirkte Brunelleschis Werk für die Jury wie ein antiker Patchwork. Stattdessen vermochte es Ghiberti, das antike Vorbild sanft in seine Arbeit einfließen zu lassen. Umgebende Landschaften verschmelzen auf seinem Relief mit den Protagonisten. Dadurch erstrahlt alles als Einheit und heraus kommt eine eigene Bildsprache.
Was passierte mit den Konkurrenzreliefs
Beide Bronzegüsse waren Probestücke und landeten niemals am Nordportal des Baptisteriums der Kathedrale von Florenz. Stattdessen werden sie heute im Nationalmuseum des Palazzo del Bargello in Florenz ausgestellt.
Vergleicht man beide Probestücke lässt sich erkennen, wie die Ansichten beider Meister voneinander abwichen. Sowohl die Größe (45 x 38 cm) als auch die Rahmung waren vorgegeben und beide Meister waren Vertreter des neuen Stils. Demnach haben beide Künstler auch die antiken Vorbilder studiert. Dennoch favorisierten beide unterschiedliche stilistische Lösungen.
Für Kunsthistoriker wird daran deutlich, wie unterschiedlich stark das Verhältnis zwischen künstlerischer Tradition und dem neuen Renaissancestil gewesen sein muss. Dennoch lässt sich an beiden Stücken erkennen, dass der Übergang von Gotik zur Renaissancekunst begonnen hatte. Im kunstwissenschaftlichen Unterricht des 20. Jahrhunderts werden beide Probereliefs gerne herangezogen, um kunsthistorischer Vergleichsübungen daran zu vollziehen.
Wie ging es mit Brunelleschi und Ghiberti weiter
Das kunsthistorische Interesse an den Konkurrenzreliefs besteht auch deshalb, weil beide Künstler zeitlebens an verschiedenen Projekten zusammenarbeiteten. So etwa beim Bau der Kuppel vom Florentiner Dom. Die Zusammenarbeit gelang zwar, allerdings stritten beide um die Hierarchie auf der Baustelle. Letztlich soll sich meistens Brunelleschi durchgesetzt haben.