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Die 11 Bereiche der Renaissance-Kultur, deren Wandel und Folgen


Renaissance-Kultur meint die Wiederbelebung antiker Idealer in allen Lebensbereichen. Solche antike Wiederkehr fand erstmalig im 15. Jahrhundert (Renaissancezeit) in Europa statt. Vom Wandel betroffen waren die Kunst- aber auch die Gedankenwelt. Letztlich hatte dieser Kulturwandel auch Auswirkungen auf die Naturwissenschaften und die Lebenswirklichkeit jedes Einzelnen.

Philosophische Renaissance

Die Kultur der Renaissancezeit ist eng verknüpft mit dem Humanismus. Der Humanismus wiederum ist eine Geisteshaltung, welche den Menschen in den Vordergrund rückt.

Okay, was ist daran so besonders?
Im Mittelalter – also der Zeit vor der Renaissance – begriff man den Menschen als ein Geschöpf Gottes.

Und das heiß jetzt?
Das Schicksal eines Menschen war von Gott bestimmt. Jeder gottesfürchtige Mensch sollte im Dienste Gottes stehen. Jegliches Streben – wie dem Bau einer Kirche oder das Malen eines Gemäldes – diente dem Zweck, die Herrlichkeit Gottes herauszustellen. Der einzelne Mensch an sich war unbedeutend. Jeder Mensch – außer er war ein Heiliger – war lediglich Gottes Handwerker oder Gehilfe. Einzelne Menschen mit besonderen Fähigkeiten herauszustellen, war nicht in Gottes Sinn und deshalb geschah dies auch nicht.

Folgen des philosophischen Kulturwandels

Humanisten, wie Erasmus von Rotterdam, hinterfragten das mittelalterliche Menschenbild. Sie forderten eine neue Stellung des Menschen innerhalb des weltlichen Kosmos. Laut den Humanisten solle der Mensch seine gesamten Fähigkeiten einfordern und fördern. Dies bewirkte, dass:

  • Menschen als Geschöpfe mit besonderen Fähigkeiten wahrgenommen wurden
  • alle Menschen unterschiedliche Merkmale hatten, welche herausgestellt werden sollten
  • jeder Mensch als einzigartiges Geschöpf wahrgenommen wird
  • jeder Mensch auf eine Stufe mit Gott gestellt werden könnte

Konzepte, wie Menschenwürde, Menschenrechte und Individualismus wurden durch die Arbeit der Renaissance-Humanisten ermöglicht. Dieses neue Menschenbild hatte erheblichen Einfluss auf andere kulturelle Bereiche – wie eben der Kunst und Wissenschaft.

Künstlerische Renaissance

Die Kunst der Renaissance wurde durch die Entwicklung der Zentralperspektive geboren. Jene Perspektivtechnik wurde 1420 durch Filippo Brunelleschi entwickelt. Dieser war Maler und Architekt in Florenz. Mit der Zentralperspektive war es für Künstler fortan möglich, sich an einen Fluchtpunkt zu orientieren. Mit Hilfe von gedanklichen Linien ließen sich Objekte im Raum mit diesem Fluchtpunkt verbinden.

Na und?
Durch diese gedankliche Verbindung wurde eine geometrische Betrachtung möglich. Diese geometrische Betrachtung ermöglichte es, dass Maler auf ihren Gemälde eine reale Raumtiefe erschaffen konnten. Kurzum: Die gemalten Objekte wurden realistisch dargestellt.

Und was hat die Perspektive mit antiken Vorbildern zu tun?
Diese Perspektivtechnik gab es bereits in der antiken Kunst der Römer. Zwar war die Technik durchaus primitiver, aber die Ansätze waren da,

Warum hat man diese Technik nicht weiterentwickelt?
Wie bereits erwähnt, wurde im Mittelalter der Künstler als ein Handwerker Gottes betrachtet. Er sollte das Vollkommene an Gott oder an einem Heiligtum herausstellen.

Gott oder einen Heiligen mit geometrischer Genauigkeit zu zeichnen, war nicht angebracht. Stattdessen wurden heilige Personen immer größer dargestellt als normale Menschen.

Die Bedeutung, welches ein Objekt hatte – entschied darüber – wie groß und gewaltig es dargestellt werden sollte. An der Natur hat sich im Mittelalter niemand orientiert.

Und deshalb wurden Heilige, welche im Bild weiter hinten standen, trotzdem größer gezeichnet, als Stifter – die sich weiter vorne befanden. Es interessierte im Mittelalter niemanden eine perspektivische Genauigkeit. Entscheidend war, wie bedeutend ein Objekt oder eine Person im Bild war – um diese entweder größer oder kleiner darzustellen.

Folgen des künstlerischen Kulturwandels

Mit Hilfe der Zentralperspektive konnten Künstler realistische Bilder malen und die Bedeutungsperspektive des Mittelalters hinter sich lassen. Dies hatte ungeahnte Folgen:

  • Die Zentralperspektive schuf einen Sinn für Figuren und deren Darstellung im Raum.
  • Durch die veränderte Wahrnehmung der Figuren im Raum wurde eine Formenlehre begründet.
  • Die Formenlehre wurde mit mathematischen Berechnungen, Verschiebungen und Messungen weiter untermauert. Es entstand eine neue Stufe der Geometrie.
  • Wissenschaft und Kunst verschmolzen mit einander.
  • Wer gute Bilder malen wollte, musste genaue Proportionen seines Kunstobjektes kennen und studieren
  • Um noch realistischere Porträts zu malen, studierten die Künstler auch die Anatomie des Menschen
  • Die Verschmelzung von Kunst und Wissenschaft führte zur Herausbildung von Universalgenies

Bedeutung des Kulturwandels für den Künstler

Ohne die philosophische Vorarbeit der Humanisten hätten Renaissancekünstler niemals ihre Arbeit verrichten dürfen. Man hätte sie als Ketzer gebrandmarkt, wenn sie individuelle Merkmale eines Normalmenschen herausgestellt hätten.

Die Philosophie der Renaissance schuf somit den gedanklichen Unterbau, damit Renaissancekünstler bedeutende Werke erschaffen konnten, welche nicht von der Gesellschaft geächtet wurden. Durch den aufkeimenden Individualismus wurden die Fähigkeiten des Künstlers ebenfalls geehrt. Sow wurden Künstler im Mittelalter noch als Handwerker in Gottes Namen gesehen. Während der Renaissance erhielten sie jetzt eine gesellschaftliche Aufwertung. Fortan wurden Künstler selbst zu Göttern erklärt.

Literarische Renaissance

Die Literatur der Renaissance findet einen ihrer Ursprünge in der Sizilianische Dichterschule (Scuola siciliana). Gegründet wurde die Bewegung vor 1220 mit dem Ziel, neue Impulse für die Dichtung und Literatur zu setzen. Die Entwicklung des Sonett als Literaturgattung geht auf Giacomo da Lentini zurück. Dieser gilt als bedeutendster Vertreter der sizilianischen Dichterschule.

Die Bewegung setzte sich außerdem für eine Mischsprache in der Literatur ein. Diese bestand aus toskanischen und sizilianischen Elementen. Diesen neuen Schreib- und Redestil nannten die Mitglieder dolce stil novo (Süßer neuer Stil).

Beliebtes Motiv der Dichter war die Liebe. Und zwar die Platonische Liebe. Die von Platon entwickelte Liebestheorie soll für den Philosophen ein Wegweiser sein, sich seine Themawelt liebevoll anzueignen, um dadurch seinen Weg zu beschreiten. Letztlich soll dieser Liebesweg den Philosophen zur Erkenntnis führen.

Der Begriff der Platonischen Liebe wurde erst während der Renaissance geprägt. Für die Anhänger des Stilnovismus (dolce stil novo) wurde die noble Gesinnung eines Menschen – als Auslegung von Platons Liebesweg – zum Ideal. Dadurch wurde die noble Gesinnung und das Streben des Menschen nach Erkenntnis zum Wegbereiter für Humanismus und Renaissance.

Musikalische Renaissance

In der Musik entstand ein neuer Stil, welcher den mittelalterlichen Musikstil hinter sich ließ. Durch die Emanzipation des Individuums wurde in der Musik mehr Tonumfang zugelassen. Der Rhythmus wurde flexibler, wodurch Harmonik, Form und Notation sich veränderten. Erstmalig wurde Musik zu einer Sprache des persönlichen Ausdrucks, einer individuellen Stimmung und persönlichen Ausdrucksstärke.

Tänzerische Renaissance

Bei den Tänzen der Renaissance wird zwischen Hoftänzen und Contry-Tänzen unterschieden. Letztere waren für Jedermann geeignet. Doch die Tänze bei Hofe erforderten eine Ausbildung der Tänzer. Einzelne Tanzschritte wurden niedergeschrieben, mussten auswendig gelernt und einstudiert werden.

Der Tanz sollte zur Unterhaltung dienen, um die Harmonie zwischen Musik und Tänzer zu zeigen. Gedruckte Tanzhandbücher glichen einer Anweisung bzw. einem Regelwerk, um jene Harmonie bestmöglich entfalten zu können. Die ersten gedruckten Tanzhandbücher stammen aus Italien und Frankreich des 16. Jahrhunderts.

Der harmonische Tanz entwickelte sich während der Renaissance immer weiter. So wurden auch schnellere Tänze zugelassen. Beliebte Gesellschaftstänze der langsamen Form waren: Allemande, Basse danse oder Pavane. Schnellere Tänze waren: Galliarde, Courante oder Canario.

Wissenschaftliche Renaissance

Die wissenschaftliche Revolution begann in der Renaissance. Zunächst wurde das verlorengeglaubte Wissen aus der Antike gerettet und wiederbelebt. Die antike Philosophie erlebte so eine Wiedergeburt.

Als die Wiedergeburt der Antike erledigt schien, widmeten sich die Gelehrten neuen Themen. Die Renaissance als Abbild der Antike wurde allmählich zu einer Vervollständigung der antiken Idealwelt. So zogen die Beobachtung und das Experimentieren in die Wissenschaft ein. Dadurch wurde die Naturphilosophie durch die Naturwissenschaft verdrängt.

Die Einführung des Buchdruck mit beweglichen Lettern ab den 1450-er Jahren beschleunigten die wissenschaftliche Revolution.

Mit dem heliozentrischen Weltbild, welches Nikolaus Kopernikus 1543 begründete, endete die Glaubensvorstellung des Mittelalters endgültig. Fortan stand die Sonne im Mittelpunkt des Universums und natürliche Phänomene wurden erklärbar.

Die wissenschaftliche Renaissance dauerte noch bis 1687 an. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Isaac Newton seine Principia-Schrift. In dieser Schrift formulierte er die Gesetze der Gesetze und der Gravitation. Auch dadurch wurde die wissenschaftliche Renaissance von der Aufklärung abgelöst.

Technologische Renaissance

Die bedeutendste Entwicklung der Renaissance war sicherlich der Buchdruck mit beweglichen Lettern. Fortan konnten Bücher in Massenproduktion vervielfältigt werden. Diese Entwicklung gilt als Schlüsseltechnologie für die Verbreitung der Renaissance.

Mit der Erfindung der Taschenuhr wurde die Zeitmessung ein individuelles Gut. Fortan wurden die Menschen zu Sklaven der Uhrzeit, was allerdings Produktionsvorteile in Industrie und Handwerk einbrachte. Weitere wichtige Erfindungen waren der Fallschirm, die Zeitung, das Schwimmdock und der Hebeturm.

Medizinische Renaissance

Die Künstler der Renaissance mussten, um sich von ihren Konkurrenten abheben zu können, möglichst genaue Abbilder der Realität erschaffen. Deshalb widmeten sich Universalgenies, wie Leonardo da Vinci, der menschlichen Anatomie und Physiologie. Seine Forschungen umfassten Studien zum menschlichen Sehen, aber auch über die Bedeutung des Rückenmarks.

Andere Ärzte suchten medizinische Lösungen für wiederkehrende Krankheiten, wie Pest und Tuberkulose. Der US-amerikanische Arzt Hieronymus Fabricius veröffentlichte einen Atlas zur menschlichen Anatomie. Dieser Atlas stellt einen Wendepunkt für die Illustration des menschlichen Körpers dar. Der englische Arzt William Harvey machte bahnbrechende Entdeckungen über die Funktionen von Blut und führte das Zirkulationssystem des Blutes (Blutkreislauf) in die Medizin ein.

Entdeckerische Renaissance

Die Erfindung der Taschenuhr im 13. Jahrhundert schuf ein neues Verständnis von Raum und Zeit. Als dann die alten Gewürzrouten durch die Araber blockiert wurden, sollte ein Seeweg nach Indien gefunden werden.

Entdeckt wurde 1492 ein neuer Kontinent durch Christoph Kolumbus. Mit dem Aufschwung der Malerei und der Neuentdeckung erfuhr die Kartographie einen Anschub. Alles wurde auf Karten gezeichnet. Und die Errungenschaften in der geometrische Mathematik ließen maßstabgetreue Abbildungen zu. Bis 1650 kartografierten die Europäer so jeden Kontinent, mit Ausnahme von Antarktika.

Expeditionen in den Pazifik und Atlantik führten dazu, dass immer wieder neue Inseln entdeckt und in Besitz genommen wurden. Die Renaissance verlief demnach zeitgleich zum Zeitalter der Entdeckungen. Beide begünstigten einander.

Kirchliche Renaissance

Das neue Menschenbild des Renaissance-Humanismus hatte natürlich auch Einfluss auf die Kirche. Jene Organisation gab das Welt- und Menschenbild des Mittelalters vor. Als Nikolaus Kopernikus das heliozentrische Weltbild formal begründete, bröckelte das kirchliche Weltbild des Mittelalters. Experimente und Beobachtungen von Galileo Galilei schufen den naturwissenschaftlichen Beweis für die kopernikanischen Wende.

Doch bereits Martin Luther hatte 1517 die christliche Glaubenswelt geteilt. Dazu veröffentlichte er 95 Thesen, in denen er die kirchliche Organisation kritisierte und zur Veränderung bewegen wollte. Viele Geistliche wandten sich von Papst und der katholischen Kirche ab und schlossen sich Luther an.

Die Lutheraner nutzten Bilder für ihre Propagandazwecke und veränderten so die Kunstwelt. Der Einfluss der Reformation auf Kunst und Gesellschaft beschränkte sich zunächst auf den europäischen Norden (nordische Renaissance). Doch der Buchdruck sorgte dafür, dass der Protestantismus zu einer Massenbewegung in Europa wurde.

Die Spaltung der Kirchenwelt wurde durch das Abendländische Schisma (seit 1378) begünstigt, wonach es einen Papst in Rom und einen Gegenpapst in Avignon gab. Der Kirchenstaat wurde zwar 1417 beim Konzil von Konstanz wiederhergestellt, jedoch blieb die geistliche Erschütterung erhalten. In diese Umbruchsphase wirkte nun der Humanismus hinein, was eine Kirchenreform dringend nötig machte.

Martin Luther war letztlich derjenige, welcher diese Umbruchsphase einleitete.

Individuelle und gesellschaftliche Renaissance

In die Renaissancezeit fallen zudem der Beginn des Kapitalismus. Denn in Florenz wirkten die Medici als große Geldverleiher für Europas Monarchien. Dort wurde die doppelte Buchführung zum Standard erhoben, was Handel und Produktionswirtschaft begünstigte. Mit dem Fernhandel der italienischen Stadtstaaten, wuchs das Interesse an sprachlich ausgebildeten Handwerkern. Die Bildung zog ein, Universitäten und Schulen wurden gegründet. Durch den Buchdruck konnten Schulbücher millionenfach in einen gewissen Standard zur Verfügung gestellt werden.

Durch den Frühkapitalismus und dem Zugang zu Bildung entstand im 16. Jahrhundert ein Bürgertum, welches darauf drängte sich zu emanzipieren. Der Emanzipationsdruck wurde durch das humanistische Weltbild begünstigt, durch Kunst und Literatur verbreitet und schließlich im technologischen Fortschritt bestätigt. So wirkten alle Bereiche der Renaissancezeit zusammen und waren wie kleine Zahnräder die fein abgestimmt in einander liefen. Dies bewirkte, dass sich eine Renaissance-Kultur etablieren konnte, welche sämtliche Lebensbereiche des Menschen einschloss.


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