Warum begann die Renaissance in Italien: Ursprung und Verbreitung
Die Verbreitung der Renaissancekunst begann entweder 1400/1401 in Italien oder spätestens 1420 mit der Einführung der Zentralperspektive. Bereits im 14. Jahrhundert bildete sich in Siena eine Malerschule heraus, welche als Protorenaissance bezeichnet wird. Der Norden und Süden Italiens war zur Renaissancezeit politisch gespalten.
Inhalt
Die italienische Staatenwelt vor der Renaissance
Norditalien
Im 14. Jahrhundert war der Norden Italiens politisch dominant. Dort wurde das politische Geschehen der italienischen Halbinsel bestimmt. Zu den bedeutendsten Stadtstaaten gehörten Mailand und Venedig.
Diese Dominanz hatte historische Ursachen. Denn am Ende der Antike, im Jahr 568 n.Chr., fallen die Langobarden in Italien ein und gründen dort das Langobardische Königreich. Der Süden Italiens ist fortan vom Norden Europas isoliert.
Die Langobarden waren eine germanische Stammesgemeinschaft. Schrittweise übernahmen sie römische Titel, Traditionen und Namen. Für das restliche Europa war das Langobardenreich ein Barbarenstaat.
Das Oströmische Reich, welches den Nahen Osten, Griechenland und die Türkei beherrschte, versuchte über eine lange Zeit – die Langobarden zu vertreiben. Man wollte das antike römische Reich wiederherstellen. Aber erst Karl der Große eroberte 774 die Langobardengebiete und schloss diese ins Frankenreich ein.
Aus dem Frankenreich ging später das Heilige Römische Reich deutscher Nation hervor. Norditalien wurde ein Teilreich davon und Otto I. ließ sich 961/62 in Pavia zum König von Italien krönen. Von dort aus ging es weiter nach Rom, wo sich Otto vom Papst zum Kaiser krönen ließ. Die Pavia-Rom-Route hielten die römisch-deutschen Kaiser nach Otto aufrecht.
Mittel- und Süditalien
In Mittel- und Süditalien bildeten sich kleinere Stadtstaaten, welche autonom regiert wurden. In Süditalien begann 827 die Kolonisierung Siziliens durch die Araber. Das Emirat Sizilien bestand zwischen 831 und 1062 und kontrollierte zeitweise die gesamte Insel.
Um die Islamische Expansion in Süditalien aufzuhalten, unternahmen die Normannen zwischen 999 und 1194 zahlreiche Rückeroberungsversuche. Dabei wurden sie von den Norditalienern, aber auch vom Byzantinischen Reich (Ostrom) unterstützt. Im Zuge der Rückeroberung entstehen ab 1059 in Süditalien verschiedene normannische Staaten, welche als Lehen des Papstes auftreten.
Eine dieser normannischen Stadtstaaten ist Neapel. Die Stadt wurde 1140 durch die Normannen erobert und in das normannische Königreich Sizilien eingegliedert. König von Sizilien war der Normanne Roger II.
Nach dem Tod Rogers ging das Königreich an dessen Tochter Konstanze und ihrem Ehemann Heinrich VI. über. Heinrich stammte aus dem Adelsgeschlecht der Staufer. Da der Norden bereits seit Karl dem Großen ein Teil des Frankenreichs und später des Heiligen Römischen Reichs war, wurde fortan auch der Süden von Deutschen regiert.
Im Jahr 1266 eroberten die Franzosen das Gebiet und beendeten die Herrschaft der Staufer. Doch in Palermo brach 1282 ein Volksaufstand gegen die französische Fremdherrschaft aus. Dem Aufstand folgten alsbald andere Gebiete in Süditalien. In der Folge wurde 1302 das süditalienische Gebiet in ein Königreich Neapel und in ein Königreich Sizilien geteilt. Auf Sizilien regierte fortan das französische Haus Anjou, während Friedrich II. (Staufer) zum König von Neapel ernannt wurde.
Venedig
In Nordostitalien etabliert sich Venedig als unabhängiger Stadtstaat, welcher Handelsbeziehungen mit dem Byzantinischen Reich aber auch mit den Arabern unterhält. Durch Salzexporte wird Venedig bedeutend.
Die wirtschaftliche Monopolstellung in Italien erlangt Venedig aber auch durch Importe von Gewürzen, Luxusartikeln und Getreide. Durch die Getreideimporte versorgt Venedig das restliche Italien mit Nahrung, nutzt seine Sonderstellung aber auch aus, um politische Gefälligkeiten zu erpressen.
Warum begann die Renaissance in Italien
Vorläufer der Renaissance-Kunst war die Literatur und Philosophie. In beiden Bereichen bezeichnet man die Epoche als Renaissance-Humanismus.
Sizilianische Dichterschule und Dolce Stil novo
Zur Stauferzeit Siziliens etablierte Friedrich II. dort eine Dichterschule. Die Sizilianische Dichterschule bestand zwischen 1220 und 1250 und widmete sich einer Neuausrichtung des Lyrischen Ichs. Dies veränderte die Literatursprache dahingehend, dass ins klassische Literaturlatein eine volkssprachliche Tendenz (lingua volgare) einzog. Von Sizilien ausgehend breitete sich der neue Sprach- und Schreibstil nach Norden aus und mündete in den „Dolce Stil novo“.
Anhänger des Stils forderten eine neue Lebensnähe. Der Mensch wurde als nobles Geschöpf beschrieben. Die noble Gesinnung eines Menschen wurde mit dem Wort Herzensadel ausgedrückt. Dieser Herzensadel stand im klaren Gegensatz zum Blutadel (Erbadel). Der Dolce Stil novo gilt als Vorbereiter des Humanismus und der Renaissance.
Beginn des Renaissance-Humanismus
Die Ideale der Sizilianischen Dichterschule und der Bewegung des neuen Stils (Dolce stil novo) mündeten in Forderungen nach Bildungsreformen. Im Mittelpunkt der neuen Bildungsbestrebungen standen die Fähigkeiten des Menschen (lateinisch: humanus = menschlich).
Dass der Mensch im Mittelpunkt steht, war neu. Denn im Mittelalter wurde der Mensch lediglich als Geschöpf Gottes betrachtet, welches zwar über den Tieren steht – aber dennoch nicht gottgleich sein konnte. Würde man jeden Menschen als Individuum betrachten, ergäbe dies eine Einzigartigkeit – welche nach mittelalterlicher Denktradition nur Gott zustand.
Die Anhänger des Humanismus wollten zunächst die Scholastik als Denkschule ersetzen. Jene Denkschule geht davon aus, dass Wissen nur durch Autoritäten vermittelt werden kann. Grundlage war die scholastische Methode, welche zur Beweisführung herangezogen wurde. So wurde neues Wissen und Erkenntnisse generiert, indem Behauptungen bewiesen oder wiederlegt wurden.
Für Humanisten stand die scholastische Wissenschaft im klaren Gegensatz zum Fähigkeitsstreben des Menschen. Denn diese Beweisführung ließ nur Erkenntnisse zu, welche in der Glaubenswelt bereits existierten.
Neue Erkenntnisse wurden abgeschmettert. Wissen konnte nur durch Lehrer vermittelt werden. Demnach konnten neuere Erkenntnisse auch nur dort ihren Ursprung haben. Diese Denkweise führte zu keinem neuen Wissen, sondern nur zu Bestätigung alter Erkenntnisse. Und deshalb war die Scholastik für prominente Humanisten – wie Erasmus oder Petrarca – unnütz und belanglos.
Stattdessen sollten Tugend und Wissen als Ideale herhalten. Nur durch die Verbindung beider Ideale können der Mensch seine Fähigkeiten optimal entfalten. Die Bildungsreform sorgte dafür, sich ein neues Menschenbild in Italien etablierte – welches den Menschen als Individuum begriff. Dieses neue Menschenbild wurde zunächst durch Literatur verbreitet. Später griff es die Kunstwelt auf und bildende Künstler setzten es in Skulpturen und Gemälden um. Dafür waren allerdings noch neue Perspektiverfahrungen nötig.
Beginn der Renaissance-Kunst
Die Kunst der Renaissance ist ein Abbild der Denkweise des Humanismus. Der Mensch als Individuum steht im Vordergrund.
Das antike Ideal war, dass der Mensch ein Geschöpf der Natur ist. In der Natur ist er ein Teil davon und steht in Wechselbeziehung zur Natur. Das Christentum hat den Menschen als ein Geschöpf Gottes erklärt, welches sein Leben im Diesseits opfern solle, um nach dem Tod ins Himmelreich zu kommen. Der Mensch wurde nicht als Individuum begriffen, sondern als Gottgehilfe oder als Gotteswerkzeug. Das Schicksal des Einzelnen war von Gott gemacht. Wenn man es annahm, folgte man Gotteswegen und konnte sich demnach einen Platz im Himmelreich sichern.
Durch die Vorarbeit der Humanisten begriffen sich Renaissancekünstler nicht länger als Gottes Handwerker, deren Aufgabe es war, die Herrlichkeit Gottes herauszustellen. Stattdessen waren Künstler ebenfalls Individualisten, welche fortan besondere Fähigkeiten hatten, die es ihnen ermöglichten, großartige Kunstwerke herzustellen.
Neue Perspektivtechnik
Um großartige Kunst herzustellen, musste das Kunstwerk möglichst genau die Natur abbilden. Dass was das menschliche Auge sehen konnte, sollte sich detailgetreu im Kunstwerk wiederfinden. Dazu benötigte man allerdings Perspektiven.
Schon in der Antike erkannten Künstler, dass Objekte – welche sich im Raum weiter hinten befinden, kleiner sind. Deshalb konnte nur eine echte Raumperspektive ein Kunstwerk in ein genaues Abbild der Natur verwandeln.
Die Zentralperspektive mit Fluchtpunkt bot so eine Möglichkeit. Entwickelt wurde diese Technik durch Filippo Brunelleschi im Jahr 1420 in Florenz. Er erkannte, dass sich bei der Beobachtung der Natur eine Horizontallinie ergibt. Und je nachdem, wo man auf dieser Linie hinschaut, ergibt sich ein Fluchtpunkt. Alle Objekte im Raum könne man dann mit Hilfe von imaginären Fluchtpunktlinien mit dem Fluchtpunkt am Horizont verbinden. Dadurch kann man Raumtiefe für jedes Objekt detailgetreu nachbilden.
Der erste Maler, welcher diese neue Technik anwandte, war Masaccio. Er war Freund von Brunelleschi und malte das Trinitätsfresko in der Basilika Santa Maria Novella in Florenz. Das Bild entstand zwischen 1425 und 1427. Es gilt als erste exakte Konstruktion der Zentralperspektivtechnik.
Die Menschen glaubten, bei Betrachtung des Trinitätsfreskos, dass Masaccio die Wand dahinter durchbrochen hätte. Mit der neuen Perspektivtechnik konnten naturgetreue Bilder und Skulpturen entstehen. Um diese entstehen zu lassen, widmeten sich Künstler neben dem Studium der Natur, auch dem Studium der menschlichen Anatomie. In der Renaissance verschmolzen Geometrie, Kunst und Wissenschaft ineinander.
Als Begründer der künstlerischen Renaissance wird Brunelleschi angeführt, da er die Zentralperspektive in die Kunstwelt einführte. Und als Vater der Renaissancemalerei wird Masaccio genannt, da er die Technik Brunelleschis als Erster umsetzte.
Mit Masaccios Werk wurde eine Kunstrevolution ausgelöst. In der Folge wollten immer mehr Menschen Künstler werden. Der Künstlerberuf stieg im Ansehen. Anders als im Mittelalter wurde jetzt nicht mehr das Kunstwerk verehrt, sondern der Künstler – welcher es schuf.
Wie kam die Renaissance von Italien nach Europa
Die Renaissance wurde nach Nordeuropa exportiert. Schlüsseltechnologie war der Buchdruck, welcher in den 1450-er Jahren erfunden wurde. Zuvor wurden Bücher abgeschrieben, um sie zu vervielfältigen. Der Buchdruck mit beweglichen Lettern, welcher von Johannes Gutenberg entwickelt wurde, ließ zu – dass man Druckbuchstaben austauschen konnte. Dadurch konnte jedes Buch nachgedruckt werden. Dies löste eine Medienrevolution aus. Dadurch verbreitete sich die Renaissance-Literatur und die Ideale der Renaissance-Humanisten rasend schnell.
Gelehrte reisten nach Italien, um sich dort mit Humanisten auszutauschen. Dabei wurde auch die Kunst bemerkt, welche ein Abbild dieser Ideale transportierte. Auf Humanisten folgten Künstler des Nordens nach Italien. So etwa Albrecht Dürer, welcher um 1500 seine Italienreise begann. Dieser nahm die neue Perspektivtechnik mit zurück nach Nürnberg. Dort wandte er diese Technik auf Kupferstiche an, was ihn weltberühmt machte. Die Italienreise Dürers gilt als Beginn der nördlichen Renaissance für die Kunstwelt.
In ganz Europa importierte man italienische Kunstwerke, damit einheimische Künstler – diese studieren und nachzeichnen konnten. Dabei veränderte sich der Stil und auch die Motivwahl. Die italienische Renaissance setzte auf antike Motive aus Mythologie und Geschichte. Die Nordeuropäer hatten damit wenig am Hut. Deshalb zogen regionale Themen in die Kunstwelt ein. So ist bspw. die deutsche Renaissance durch die Reformation bestimmt.