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Bildhauerei der Renaissance


Skulptur des David von Michelangelo, Bildnachweis: Jon Chica / Shutterstock.com

Skulptur des David von Michelangelo, Bildnachweis: Jon Chica / Shutterstock.com

Die Bildhauerei erlebte in der Renaissance eine Blütezeit und führte zu einer ganz neuen Kunstauffassung. Im mittelalterlichen Architekturstil waren Skulpturen in ein Gebäude gefasst. Sie dienten als Dekoration des Gebäudes. In der Renaissance löste sich die Skulptur aus dem Gebäude heraus, wodurch die Bildhauerei als separate Kunstgattung entstand. Entstanden ist diese Gattung im 15. Jahrhundert in Italien der Frührenaissance.

Große Bildhauer, wie Donatello, Michelangelo oder Filippo Brunelleschi führten neue Techniken ein, welche maßgeblichen Einfluss auf die Bildhauerei aber auch auf jegliche andere Bereiche der Kunst hatten. Bedeutende Kunstwerke, wie die Davidskulptur, dienen heute als Symbol der Renaissancekunst und der Renaissancekultur allgemein.

Zur Bildhauerei der Renaissance gehören neben der Skulptur auch die Plastik. Sowohl Skulptur als auch Plastik werden den Statuen zugeordnet.

Welche Bedeutung hatte die Bildhauerei für die Renaissance

Rinascita meinten die Gelehrten der Renaissance, wenn sie von ihrer kulturellen Epoche sprachen. Der Ausdruck bedeutet übersetzt: Wiedergeburt. Die Künstler versuchten, die Antike wiederzubeleben – indem sie Skulpturen des Römischen Reiches zu kopieren versuchten. Da die römische Kunst zu großen Teilen bereits eine Kopie der griechischen Kunst war, wurden demnach auch griechischen Themen kopiert.

Um etwas kopieren zu können, muss man es verstehen. Deshalb studierten Bildhauer der Renaissance die antiken Meisterwerke. Sie leiteten Formgesetze und Techniken ab, welche sie dann auf ihr eigenes Schaffen übertragen wollten. Durch das Studium der Antike kombiniert mit dem Studium der Natur wollten die Bildhauer eine eigene Originalität erreichen. Man wollte zuerst die Antike kopieren und dann das antike Naturbild übertreffen bzw. vollenden.

Da stellt sich die Frage nach dem Warum: Die Kunst des Mittelalters empfanden die italienischen Künstler als barbarisch. Ähnlich wie die alten Römer einen Kulturkampf gegen die Barbaren (Germanen, Gallier, Kelten) führten, wollten auch die italienischen Künstler den gotischen Stil des Nordens keinesfalls übernehmen. Die Rückschau auf die Antike war demnach eine Rückbesinnung auf die eigene Kultur und frühere Stärke.

Wie etablierte sich die Bildhauerei während der Renaissance

Die Renaissance-Bildhauerei begann mit der Plastik. Allerdings muss man sagen, dass sich die Renaissance bereits im 13. und 14. Jahrhundert selbst vorbereitet hatte. In Siena waren zu dieser Zeit bereits Künstlerschulen etabliert, welche antike Symbolik aufgriffen. Allerdings wird die Vorzeit zur eigentlichen Renaissance, je nach Literatur, als Protorenaissance oder einfach als Sienesische Schule bezeichnet.

Künstlerwettbewerb in Florenz

Die eigentliche Renaissance begann zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Florenz mit einem Künstlerwettstreit. Das Nordportal des Baptisteriums (Taufkirche) sollte von einem Bronzegießer geformt und verziert werden. Deshalb schrieb die Kaufmannszunft von Florenz diesen Auftrag aus.

Die Ausschreibung erfolgte zu einer Zeit als die Stadt von Giangaleazzo Visconti aus Mailand bedroht wurde. Und der intellektuelle Wettstreit sollte die mentale Stärke gegenüber den Mailändern demonstrieren.

Das Thema des Wettstreits war die Opferung Isaaks, eine biblische Erzählung – wonach Vater Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte. Abraham erwies sich als gottesfürchtig, indem er tatsächlich seinen Sohn opfern wollte. Doch durch Gottes Gnade blieb Isaak verschont.

Für die Florentiner war das Isaaksopfer ein Zeichen dafür, dass Gott auf ihrer Seite stehen würde – im Kampf gegen die anderen italienischen Stadtstaaten. Das Motiv war somit keineswegs zufällig.

Auch die Tür des Baptisteriums war nicht zufällig gewählt. Denn in Florenz wurde im 14. Jahrhundert die Legende verbreitet, dass das Baptisterium auf den Grundmauern eines antiken Marstempels errichtet worden sei. Somit sollte Florenz als Tochterstadt das Erbe der antiken Weltstadt antreten und alle anderen Stadtstaaten kulturell unterwerfen.

Der Wettstreit sollte über eine Probearbeit entschieden werden. Sowohl Filippo Brunelleschi als auch Lorenzo Ghiberti fertigten einen Bronzeguss an. Die Wahl fiel 1401/1402 auf Lorenzo Ghibertis Darstellung der Opferszene. Grund war, dass Brunelleschis Isaaksopfer horizontal ausgerichtet ist. Ghibertis Darstellung hingegen, teilt die Szene in mehrere gleichwertige Bildräume auf. Dadurch wirkt das Bild weniger gedrungen als bei Brunelleschi.

Isaaksopfer von Filippo Brunelleschi, Bildnachweis: Von MenkinAlRire - Eigenes Werk - unverändert, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0" rel="noopener nofollow" target="_blank">CC BY-SA 4.0</a>

Isaaksopfer von Filippo Brunelleschi, Bildnachweis: Von MenkinAlRire – Eigenes Werk – unverändert, CC BY-SA 4.0

Den Künstlerwettstreit um das Nordportal des Florentiners Baptisteriums gewann demnach Lorenzo Ghiberti. Dennoch lässt sich an beiden Werken die Ablösung der Gotik und die stilistischen Neuerungen der Renaissance erkennen.

Isaaksopfer von Lorenzo Ghiberti, Bildnachweis: Von MenkinAlRire - Eigenes Werk - keine Änderungen, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0" rel="noopener nofollow" target="_blank">CC BY-SA 4.0</a>

Isaaksopfer von Lorenzo Ghiberti, Bildnachweis: Von MenkinAlRire – Eigenes Werk – keine Änderungen, CC BY-SA 4.0

Geburtsstunde der künstlerischen Freiheit

Im Sommer 1402 stirbt Giangaleazzo Visconti an der Pest. Das Nordportal – also die Tür, welche nach Norden in Richtung Mailand zeigt – hätte demnach seine symbolische Schutzfunktion erfüllt. Und das obwohl die Portaltür zu diesem Zeitpunkt lediglich geplant war.

Ghiberti erhielt den Auftrag 1403 und war 1424 damit fertig. Nachdem das Nordportal von Lorenzo Ghiberti so eindrucksvoll gefertigt wurde, erteilte die Kaufmannsgilde einen zweiten Auftrag. Das fehlende Ostportal sollte ebenfalls von Ghiberti gefertigt werden. Allerdings durfte der Bronzegießer sein eigenes Bildprogramm entwerfen und umsetzen.

Den Vertrag, welchen die Stadt Florenz und Ghiberti schlossen, markiert einen echten Wendepunkt in der Kunstgeschichte. Denn erstmalig konnte der Künstler seine eigene Ideen einbringen. Die künstlerische Freiheit wird für die Renaissancekunst ein echter Innovationsschub sein. Denn dies ermöglichte Künstler erst sich immer wieder neu zu erfinden, neues zu wagen, wodurch die Renaissance zur Kunstrevolution wurde.

Pforte am Baptisterium, hergestellt von Lorenzo Ghiberti (1403-24), Bildnachweis: wjarek / Shutterstock.com

Pforte am Baptisterium, hergestellt von Lorenzo Ghiberti (1403-24), Bildnachweis: wjarek / Shutterstock.com

Von der Plastik zur Skulptur

Lorenzo Ghiberti stellte das Ostportal des Baptisteriums 1452 fertig. Zwischen 1403 und 1452 war er unangefochtener Meister der Bildhauerkunst in Florenz. Doch es etablierten sich auch jüngere Künstler, welche nicht den Bronzeguss als Medium wählten – sondern Marmor, Holz oder Stein meißelt bzw. schnitzten. Einer dieser begabten Bildhauer war Donatello, ein Schüler Ghibertis.

Auch Donatellos künstlerische Karriere begann mit einem Künstlerwettstreit. Im Jahr 1408 fertigte er ein Kruzifix aus Holz für die Kirche Santa Croce in Florenz an. Seine unterlegenen Kontrahenten warfen dem damals 20-jährigen brutalen Realismus vor. Tatsächlich treten auf der Jesusfigur sämtliche Muskeln, Knochen und Sehnen hervor. Das Leiden Christi wird in den Vordergrund gerückt und nicht die Schönheit der Jesusfigur, welche in der mittelalterlichen Denk- und Kunsttradition immer im Vordergrund stand.

Kruzifix in der Santa Croce (Florenz), konstruiert von Donatello, Bildnachweis: Von I, Sailko, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.5" rel="noopener nofollow" target="_blank">CC BY 2.5</a> - keine Änderungen

Kruzifix in der Santa Croce (Florenz), konstruiert von Donatello, Bildnachweis: Von I, Sailko, CC BY 2.5 – keine Änderungen

Einer der schärfsten Kontrahenten Donatellos war wieder Filippo Brunelleschi. Er soll zu Donatello gesagt haben: „Mir scheint. Du habest einen Bauern ans Kreuz geheftet.“

Dennoch wurde die anatomisch korrekte Jesusdarstellung und auch die Dramatik des Sterbenden zur Inspiration und zum Vorbild folgender Künstlergenerationen.

Von der Skulptur zurück zur Plastik

Die wohl bekannteste Werk Donatellos ist eine Davidfigur aus Bronze. Das wirklich aufregende war, dass die Figur nackt ist. Zur damaligen Zeit glich dies einem Tabubruch zur frommen Mittelalterkunst. Aber Donatellos Akt-Plastik knüpfte an nackte Skulpturen aus der Antike an.

Der junge David von Donatello, ausgestellt im Nationalmuseum Bargello, Florenz - Bildnachweis: Atalay Mert Kuskayali / Shutterstock.com

Der junge David von Donatello, ausgestellt im Nationalmuseum Bargello, Florenz – Bildnachweis: Atalay Mert Kuskayali / Shutterstock.com

Neben der Nacktheit besticht die Figur durch ihre Lockerheit. Dies gelingt durch ein geschicktes Zusammenspiel der unterschiedlichen Beinstellung. Das linke Bein des David ruht auf dem abgeschlagenen Kopf des Goliath. Der Arm sitzt in der Hüfte und unterstreicht so die Lockerheit des jugendlichen Davids. Das gesamte Körpergewicht wird auf das rechte Bein und die rechte Hüfte verlagert. Da aber das Schwert nicht als Stütze dient, wird die Schwere aus der Körperhaltung herausgenommen. Alles wirkt locker und leicht.

Dieses Stilmittel, welches als Kontrapost, bezeichnet wird – folgen spätere Bildhauer – wie Michelangelo. Auch in Gemälden wird es verwendet. Sowohl in Statuen als auch auf Bildern wird durch dieses Stilmittel eine Harmonie erzeugt, welcher sich sämtliche Renaissancekünstler verpflichtet fühlen.

Relieftechnik

Donatellos großartigste Erfindung bzw. Entwicklung war das Rilievo Schiacciato. Diese Methode entwickelte er um 1417. Es handelt sich dabei um eine Technik, welche es ihm ermöglichte, ein Relief so zu bearbeiten, dass es fast an eine Zeichnung erinnert.

Erstmals verwendet hatte Donatello diese Technik beim Relief „Sankt Georg, der die Prinzessin befreit“. Das Marmorrelief befand sich an der Außenseite der Kirche Orsanmichele in Florenz. Heute kann man das Relief im Museo Nazionale des Bargello in Florenz besichtigen.

Heiliger Georg befreit die Prinzessin, in Marmor, konstruiert von Donatello, Kirche Orsanmichele in Florenz, Bildnachweis: Zvonimir Atletic / Shutterstock.com

Heiliger Georg befreit die Prinzessin, in Marmor, konstruiert von Donatello, Kirche Orsanmichele in Florenz, Bildnachweis: Zvonimir Atletic / Shutterstock.com

Grundlage der Relieftechnik war die Zentralperspektive. Bei dieser Technik wird ein Fluchtpunkt im Raum (Relief) bestimmt. An diesen Punkt orientieren sich alle Elemente und Objekte des Reliefs. Imaginäre Fluchtpunktlinien, welche vom Objekt wegführen, schneiden sich dann am Fluchtpunkt.

Beim Relief des Heiligen Georg wird die Anwendung der Zentralperspektive an den Arkaden hinter der Prinzessin am deutlichsten. Verlängert man diese Grundlinien würde sich die Schnittstelle außerhalb des Reliefs befinden. Dadurch entsteht eine imaginäre Raumtiefe. Der Betrachter wird förmlich ins Bild gezogen.

Entwickler der Zentralperspektive war Filippo Brunelleschi – also derjenige gegen den Donatello und auch Ghiberti beim Künstlerwettstreit gewonnen haben. Die Zentralperspektive ließ sich auf Malerei, Bildhauerei und Architektur anwenden. Deshalb gilt Brunelleschi auch als Erfinder der Renaissance.

Bildhauerei in der Spätrenaissance

Kontrapost, Zentralperspektive und Relieftechnik blieben das typische Stilmittel der Renaissance-Bildhauerei. Mit diesen Stilelementen sollte Raumtiefe, Realitätsnähe und Harmonie geschaffen werden. Diesen drei Idealen ordnete sich die Renaissancekunst bis etwa 1520 unter.

Mit dem Beginn des Manierismus (Spätrenaissance) wurde die Harmonie allmählich aufgebrochen. Alles sollte dynamisch wirken. Die Darstellung von Bewegungen sollten das Naturabbild vervollständigen, sogar übertreffen.

Bedeutendster Bildhauer der Spätrenaissance war Giambologna. Er vollendete die Figura serpentinata als Stilelement in der Bildhauerei. Charakteristisch für diesen Stil waren langgestreckte Formen und Körper. Durch die Schlangenform bzw. auch Schraubenmotiv sollte im Auge des Betrachters eine dynamische Bewegung entstehen. Mit der Bewegung als neues Kunstideal veränderten sich auch die Motive in der Bildhauerei.

Giambologna: Der Raub der Sabinerin,

Giambologna: Der Raub der Sabinerin,

Waren Michelangelos und Donatellos David noch Darstellungen eines einzelnen Helden, veränderte sich dies durch das neue Bewegungskonzept. Sämtliche Skulpturen bestanden fortan aus mindestens zwei abgebildeten Körpern, welche miteinander verknüpft waren. Die Bewegung entstand durch die räumliche Beziehung zwischen den Körpern und wurde von ihr getragen.

Der Hang zur Überbewegung wird typisches Stilmittel im Barock bleiben, wo der Bewegungsreichtum der Skulpturen vor allem auf freien Plätzen und Gärten erst zur richtigen Entfaltung kommt.


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